Autor: Bernhard Hubmann bernhard.hubmann(at)uni-graz.at
Die Anfänge an der Universität bis 1782
Einem archivalischen Vermerk im Mai 1761 ist zu entnehmen, dass das Fach Mineralogie bereits an der „alten“ Universität (1585-1782) im Rahmen des Physikunterrichts gelehrt wurde.1 In diese Periode fällt die erste Beschreibung steirischer Mineralien durch die Professoren Nikolaus Poda (1723-1798) und Leopold Biwald (1731-1805).2
1782 wurde die Grazer Universität in ein Lyceum abgewertet, das für die nächsten 45 Jahre nur noch die Ausbildung von Priestern, Juristen und Wundärzten zu gewährleisten hatte.
Daher fanden die zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Europa stark aufkommenden Bio- und Geowissenschaften in Graz nicht auf universitärem Boden ein Zuhause, sondern in der 1811 von Erzherzog Johann (1782-1859) geründeten Bildungseinrichtung des „Joanneums“. Schillernde Persönlichkeiten unter den am Joanneum tätigen Erdwissenschaftlern waren Friedrich Mohs (1773-1839), der in Graz die nach ihm benannte Ritzhärteskala der Minerale aufstellte und Mathias Anker (1771-1843), der 1829 mit der „Gebirgskarte von Steyermark“ eine der ersten geologischen Gebietskarten vorlegte.3
Als sich die Unterrichtstätigkeit in den naturwissenschaftlichen und technischen Fächern am Joanneum immer intensiver entwickelte, wurde die vom Museum abgetrennte Lehranstalt 1865 zur Technischen Hochschule erhoben, 1901 erhielt diese das Promotionsrecht. Mit dem Universitäts-Organisationsgesetz 1975 wurde die Technische Hochschule Graz in „Technische Universität Graz“ umbenannt; im Jahr darauf beschloss der Senat den Beinamen „Erzherzog-Johann-Universität“.4
1 Krones, Franz v. (1895): Die Grazer Universität 1886-1895. Ihre Entwicklung und ihr gegenwärtiger Bestand. – Festschrift zur Feier der Schlussteinlegung des neuen Hauptgebäudes der Grazer Universität Graz am 4. Juni des Jahres 1895, vi-viii, 1-128, Graz.
2 Flügel, Helmut W. (2006): Nikolaus Poda und die mineralogisch-paläontologische Sammlung der Jesuitenuniversität Graz von 1766. – Joannea Mineralogie 3: 25-61, Graz.
3 Hubmann, Bernhard & Moser, Bernd (2004): Erdwissenschafter am Joanneum in Graz zur Zeit Erzherzog Johanns. – Jahrbuch der Geologischen Bundesanstalt 144: 95-99, 1 fig., Wien.
4 Hubmann, Bernhard (2004): Anfänge und Etablierung geologischer Fächer in Graz. – Jahrbuch der Geologischen Bundesanstalt 144: 89-93, 2 figs., Wien.
Erdwissenschaften an der Karl-Franzens-Universität zwischen 1861 bis 1879
Im April 1827 fand die feierliche Wiedereröffnung der Grazer Universität statt. Zu Ehren des Gründers Erzherzog Karl II. (1540-1590) und des regierenden Kaisers Franz I. (1768-1835) wurde sie „Karl-Franzens-Universität“ (KFU) benannt. Eine selbstständige erdwissenschaftliche Lehrkanzel für das Fach Mineralogie wurde erst am 1. Oktober 1861 mit der Berufung von Victor Leopold Ritter von Zepharovich (1830-1890) etabliert.1
Bereits zweieinhalb Jahre später, im Februar 1864, wurde Carl Ferdinand Peters (1825-1881) als ordentlicher Professor für Mineralogie und Geologie berufen. Er vertrat die Mineralogie und Geologie in Personalunion und stand für die nächsten 12 Jahre dem „mineralogisch‐geologischen Universitätscabinet“ vor.2 Im Juni 1876 wurden zur Unterstützung des Ordinarius Carl Ferdinand Peters der Mineraloge Cornelio Doelter (1850–1930) und der Geologe Rudolf Hoernes (1850–1912) zu außerordentlichen Professoren ihres Faches ernannt. Noch im selben Jahr übersiedelte das „Mineralogisch-geologische Institut“ von den Räumlichkeiten der alten Universität in ein Haus am Karmeliterplatz.
1 Flügel, Helmut W. (1977): Geologie und Paläontologie an der Universität Graz 1761–1976. – Publikationen aus dem Archiv der Universität Graz 7: VII–XII + 134 pp., Graz.
2 Hubmann, Bernhard (2002): Carl Ferdinand Peters (1825–1881). Familiäres Umfeld und beruflicher Werdegang des ersten Mineralogie- und Geologieprofessor an der Grazer Karl-Franzens-Universität. – Blätter für Heimatkunde 76(3/4): 100-118, 1 fig., Graz.
Die Mineralogie und Geologie zwischen 1879 und 2004
Im Jänner 1879 trennte sich das Mineralogisch-geologische Institut für die nächsten 125 Jahre in zwei eigenständige Einheiten, das „Mineralogisch-Lithologische“ und das „Geologisch-Paläontologische“ Institut, zu deren Leiter Rudolf Hoernes und Cornelio Doelter bestellt1 wurden. Beide Institute waren in gemeinsam angemieteten Räumlichkeiten in der Burggasse untergebracht, ehe im Oktober 1894 das Geologisch-Paläontologische Institut in den südlichen Trakt des damals neu errichteten Hauptgebäudes am heutigen Universitätscampus übersiedelte. Das Mineralogisch-Petrographische Institut sollte ebenfalls nachfolgen, man entschied aber, es in Räumlichkeiten des 1899 errichteten „Naturwissenschaftlichen Institutsgebäude“ am Universitätsplatz 2 unterzubringen.
Während sich der Bereich der Mineralogie nach wie vor am Universitätsplatz 2 befindet, erlebte das „Institut für Geologie und Paläontologie“ im Oktober 1968 einen nochmaligen Umzug in ein neu errichtetes Gebäude in der Heinrichstraße 26.
Während dieser Periode fanden mehrere Organisationsreformen des Hochschulwesens statt.2
Folgende Persönlichkeiten waren während dieses Zeitraumes an den beiden erdwissenschaftlichen Einheiten tätig:
1 Hubmann, Bernhard, Angetter, Daniela & Seidl, Johannes (2017): Grazer Erdwissenschaftler/innen (1812–2016). Ein bio-bibliographisches Handbuch. – Scripta geo-historica 6: VII + 174 pp., Graz.
Die Erdwissenschaften ab 2004
Im Frühjahr 2004 wurde das „Institut für Geologie und Paläontologie“ und das „Institut für Mineralogie und Petrologie“ im Zuge der Implementierung des Universitätsgesetzes (UG) 2002 zum „Institut für Erdwissenschaften“ vereinigt. Als Konsequenz der ebenfalls im Jahr 2004 etablierten Kooperation „NAWI Graz“ zwischen der Karl‐Franzens‐Universität und der Technischen Universität Graz wurde im Dezember 2015 das „NAWI Graz Geozentrum“ zunächst als virtuelles universitätsüberreifendes Zentrum gegründet, mit angestrebter räumlicher Zusammenführung in einem gemeinsamen Gebäude.1
Österreichweit einzigartig, bündelt das NAWI Graz Geozentrum die am Standort vorhandene geowissenschaftliche und geotechnische Expertise der vier Institute
- Institut für Angewandte Geowissenschaften (TU Graz, mit zwei Fachbereichen)
- Institut für Felsmechanik und Tunnelbau (TU Graz)
- Institut für Bodenmechanik, Grundbau und Numerische Geotechnik (TU Graz)
- Institut für Erdwissenschaften (Uni Graz, mit vier Fachbereichen)
in den Fachdisziplinen
- Mineralogie und Hydrogeochemie (1)
- Ingenieurgeologie (1)
- Felsmechanik und Tunnelbau (2)
- Bodenmechanik, Grundbau und Numerische Geotechnik (3)
- Hydrogeologie (4)
- Petrologie und Geochemie (4)
- Geologie (4)
- Paläontologie und Stratigraphie (4)
Von dieser intensiven Verschränkung der acht Fachdisziplinen profitiert nicht nur die Forschung, sondern auch die Studierenden, denen nun zusätzliche Spezialisierungsmöglichkeiten offenstehen.
In der folgenden Grafik werden die jeweiligen Wirkungszeiten der Forscher und Forscherinnen dargestellt:
1 Birk, Steffen, Fritz, Harald, Hubmann, Bernhard & Kurz, Walter (2019): Das „Geologie-Institut“ an der Grazer Universität während der Jahre 1997 bis 2019: Einblicke im Rückblick – In: Hubmann, B. & Kurz, W. (eds.): Festveranstaltung zur Emeritierung von Werner E. Piller. – Berichte der Geologischen Bundesanstalt 133: 21-30, 2 figs., Wien.